WIE ALLES BEGANN

 

Am Ende der 1950er Jahre reift in der NVA die Entscheidung heran (wie in fast allen Armeen der Welt), über eigene Luftlandetruppen zu verfügen. Dieser Entschluss war folgerichtig, da die beiden Militärbezirke der NVA im Verteidigungszustand über eine derartige operativ-taktische Komponente verfügen sollten. Damit erfüllte die NVA die Forderungen des Vereinten Oberkommandos  der Warschauer Vertragsstaaten, die insbesondere in den 1980er Jahren ihren formellen Abschluss fanden.

Bis dahin war es aber ein langer und steiniger Weg, der die Überwindung vieler Hindernisse verlangte. Da waren Zweifel an der Notwendigkeit und den realen Gefechtsmöglichkeiten einer solchen NVA-spezifischen Fallschirmtruppe vorhanden. Wesentlich schlugen die ökonomischen Möglichkeiten der damaligen DDR zu Buche, die für den Aufbau derartiger Spezialtruppen nicht ausreichend genug waren. Nicht unwesentlich waren die damaligen Bedenken innerhalb der Armeeführung gegen die Bildung einer Luftlandetruppe. Während die Führung des Vereinten Oberkommandos aus militärfachlicher Sicht das ganz pragmatisch betrachtete und die Bildung einer solchen Truppe geradezu forderte, lebten damalige verantwortliche Generale und Offiziere mit der in diesem Zusammenhang gegenwärtigen Vergangenheit der Fallschirmjäger der deutschen Wehrmacht, die aus ihrer Sicht zu berücksichtigen war.

Bis zum Jahre 1989/90, als die politischen Strukturelemente im Zuge der leider nicht mehr  vollendeten Militärreform der NVA aus der Armee entfernt wurden, war die Truppe der Fallschirmjäger der NVA einer sehr genauen Beobachtung und Bewertung aus parteipolitischer Sicht ausgesetzt. Vehement wurde hierbei besonders jedes Anzeichen von Besonderheit im Geist der Truppe zurückgeregelt. Allerdings ließen sich Gefühl und Selbstverständnis, zu einer ausgesuchten Truppe zu gehören, die sich durch die besonders harte Ausbildung, insbesondere dem Sprung mit dem Fallschirm, einer harten Ausbildung sowie den rein äußeren Aspekten — manifestiert durch die Uniform — bis zum Ende der Tage des Fallschirmjägertruppenteils nie nachhaltig unterdrücken.

Die Fallschirmjäger der NVA fühlten sich in ihrem Selbstverständnis als Elitesoldaten — und das setzt sich bis zum heutigen Tage, 22 Jahre nach der Auflösung dieser Armee, erfreulicherweise fort. Auf Grundlage des Befehles 61/59 vom 03.Dezember 1959 des damaligen Ministers für Nationale Verteidigung wurde ab Januar 1960 mit der Aufstellung eines Luftlandebataillons in der NVA begonnen. Den unmittelbaren Auftrag zur Aufstellung eines derartigen Bataillons erhielt der damalige Chef des Militärbezirkes V der NVA, Generalmajor  Bleck. Als Standort des Truppenteils wurde Prora auf der Ostseeinsel Rügen festgelegt. Am 22.02.1960 begann mit Bildung und Einweisung der ersten Bataillonsführung durch das Kommando des Militärbezirkes V die Formierung des »Motorisierten Schützenbataillon 5« (MSB-5).

beginn4Am 01.03.1960 wurde das MSB-5 unter der Führung des damaligen Majors Ehrhard Bernhagen offiziell in Dienst gestellt. Formierung, Dislozierung und Beginn der Ausbildung der Truppe erfolgte unter strenger Geheimhaltung, die auch — bedingt durch den Standort — bis gegen Ende der 1960er Jahre aufrecht erhalten werden konnte.  Erst Mitte der 1980er Jahre, damals schon im Standort Lehnin, wurde der »Schleier des Geheimen« von der Truppe entfernt, als sie 1984 mit Ausbildungskonzepten im Fernsehen der DDR zu sehen war, oder aber bei Truppenübungen unter Teilnahme von NATO-Beobachtern in Aktion präsentiert wurde. Gleichwohl halten sich heute noch hartnäckig Gerüchte, Mythen und Legenden über Struktur, Ausbildung und sogenannte internationale Einsätze, die teilweise jeglicher Basis entbehren.

So begann am 04.04.1960 auf Grundlage der Anordnung 8/60 des Chefs des Stabes MB V die Ausbildung der Angehörigen des MSB-5. Den Schwerpunkt bildete damals eine konzentrierte Ausbildung in den allgemeinen Grundlagen der Infanterieausbildung, die allerdings ein sehr hohes Niveau hatte und insbesondere durch eine sehr gute Motivation der Soldaten geprägt war. An eine besondere Spezialausbildung war damals noch nicht zu denken, da es vor allem an gut ausgebildeten Vorgesetzten mangelte, so wie auch die Ausbildungsbasis während der laufenden Ausbildung durch die Truppe selbst errichtet werden musste. Insbesondere die Schaffung von Ausbildungsanlagen war eine permanente Aufgabe, die sich bis in die Mitte der 1980er Jahre, auch durch einen Standortwechsel bedingt, immer neben der laufenden Ausbildung stellte.